Von der Büchsenmeisterei

 

Titelbild des 1529 gedruckten, aber schon 1420 erschienenen Feuerwerksbuch

Als freie Reichsstadt hatte Augsburg sich gegen mancherlei Feinde und Neider zu erwehren. In großen Teilen waren die Regularien der Reichstädte Wehrverfassungen um sich gegen "Placker", später Raubritter genannt oder machthungrige Fürsten zu behaupten. Die Aufgebote waren der eine Teil, der andere die Künste der Büchsenmeister. Gerade in den Reichsstädten, hervorgegangen aus der Zunft der Glockengießer, waren diese Spezialisten sehr gefragt. Wer heute am Zeughaus vorbeigeht und die mächtigen Toren bewundert, oder Straßennamen wie "Katzenstadel" liest, kann erahnen, wie im späten Mittelalter die Stadt sich rüstete. Eine Vielzahl von Stein- und Wallbüchsen, Legestücke und Haubnitzen, Schlangen und Bombarden wurden in die Zeughäuser der Stadt verbracht und ein jeder Bürger wusste sich in der Lage selbst Kurfürsten die Stirn zu bieten.

War doch die Kunst, über eine größere Distanz auf den Feind zu schießen, gerade für die spätmittelalterliche Stadt eine ihr auf den Leib geschneiderte Aufgabe:

Schmiede, Glockengießer, Schlosser, Wagner,  Köhler, Büchsenmacher und noch eine Vielzahl weiterer Handwerker, ermöglichen es der Reichsstadt sich mit Feuerwaffen auszustatten und diese einzusetzen.

 

 

 Grundbegriffe der Büchsenmeisterkunst:

- Kaliberlänge ist das Verhältnis von Rohrdurchmesser zur Rohrlänge. Die Kaliberlänge gibt an wie viele Rundkugeln von der Große des Rohrdurchmessers hintereinander in das Rohr passen würden.

- Schießen ist der direkte flache Schuss auf das Ziel. Angewandt bei Kanonen.

- Werfen ist der indirekte Bogenschuss auf das Ziel. Angewandt bei Mörsern.

- Ballistik ist die Lehre von den Bahnen eines geworfenen oder geschossenen Körpers. Man unterscheidet die Innenballistik, die Vorgänge im Rohr beim Schuss und die Außenballistik, sobald das Geschoß das Rohr verlassen hat.

- Progressives Pulver brennt langsam ab. Damit treibt man ein Geschoss aus einem langen Rohr.

- Degressives Pulver brennt schneller ab. Verwendet in einem "Mörser" oder bei leichten Geschossen. 

 

Im ausgehenden 15. Jht. gibt es noch keine festgelegten Geschütztypen. Die ersten Einteilungen treffen Karl der tollkühne von Burgund und Kaiser Maximilian I. Jeder Büchsenmeister baute eigene Kaliber und Größen und gerade der Munitionsersatz auf langen Kriegszügen gestaltete sich oft sehr schwierig. Folgende Gruppen können aber grob unterschieden werden:     
-> Handbüchsen, kann ein einzelner Mann handhaben      
  und abfeuern.
-> Steinbüchsen, die großen heißen Hauptbüchsen und bestanden aus dem Flug und Pulverkammer. Bis zu 88 cm Kaliber und 450kg Geschoßgewicht errichten die Größten, die Bombarden. Kleine verkürzte Steinbüchsen ab 15 cm Kaliber wurden Haufnitzen genannt.
-> Lotbüchsen, mit Kalibern von 3-15 cm wurden Blei- (Blei=Lot) oder schmiedeeiserne Geschossen verwendet. Mittlere Lotbüchsen mit langen Rohren wurden in Deutschland auch Schlangen genannt. Kleinere Lotbüchsen als überschwere Handbüchsen bezeichnete man als Wallbüchsen.      

   

                         Feldschlange aus der Burgunderbeute

Das Zünden mit dem Loseisen, 1405, süddeutsch

Zum Zünden der Büchsen wurde auf das Zündloch fein gemahlenes Mehlpulver, das Zündkraut, aufgetragen. Während früher mit einem glühenden Drahtstück, dem Loseisen die Zündung herbeigeführt wurde hat sich im 15. Jht. die Lunte durchgesetzt. Am Luntenspieß angebracht wurde die Glut vor dem Zünden kurz angeblasen und dann auf das Zündkraut gedrückt. Hergestellt aus in einer Salpeterlösung getränkten und dann getrockneten dicken Dochtschnur musste der Büchsenmeister immer einen Vorrat an Lunten (pro Stunde ca. 25 cm) mitführen um ständig einsatzbereit zu sein.

 

 

Hakenbüchse aus dem Berner Zeughaus, 1415

Die Schweizer staunen nach über ihrem Sieg über Karli bei Murten über die burgundische Artillerie.

War doch die wichtigste Komponente in der Kunst der Büchsenmeister die Herstellung des Pulvers. Die Mischung aus Salpeter, Schwefel und Holzhohle wird nachweislich seit 1340 in Augsburg hergestellt. Das ideale Mischungsverhältnis für Pulver ist 73,9%,  Salpeter, 14,6% Kohle und 11,5% Schwefel. In der Praxis kam es sehr stark auf die Reinheit der Rohstoffe an. Der Salpeter kommt als Kalisalpeter und als Natriumsalpeter vor wobei der Natrium- salpeter den Vorzug hat. Salpeter wird an Stellen gesammelt an denen organische Stoffe zersetzen und dabei in Ammoniak übergehen. Ammoniak in Feuchtigkeit gelöst bildet an der Oberfläche den "Kehrsalpeter". Dieser Rohsalpeter wurde in Wasser gelöst und gekocht (geläutert) um beim Erkalten reine Kristalle zu bilden. Schwefel kam als bergmännisch abgebauter Stangenschwefel hinzu. Die Holzkohle wird aus Laubholzern gewonnen, die zwischen 270 und 430 Grad verkohlen und kamen in Augsburg aus den westlichen Umlanden, den Stauden. In wasserbetriebenen Stampfmühlen wird das Pulver gemischt. Der "Satz" wird zur Vermeidung von  Explosionen mit Wasser, Essig oder Harn angefeuchtet. Diesen Teig trocknete man, zerstieß ihn und siebte die verschiedenen Pulvergrößen aus. Gekörntes Pulver entmischte sich nicht mehr auf dem Transport und der Büchsenmeister konnte die Abbrandgeschwindigkeit beeinflussen.

 

Schlacht auf dem Zürichsee, 1445,die eingesetzten Boote sind mit schützenden Bugverbauungen und Büchsen ausgestattet.

 

 

 

Karli belagert die Stadt Vancy, beachtenswert die Verbauung des Legestüchs rechts.

Das wichtigste Geschoß war die Vollkugel. Für die größeren Kaliber bestand sie aus Stein. Die kleinen Lotbüchsen wurden mit Blei oder Weicheisengeschossen geladen. Gusseiserne Kugeln setzen sich erst am Ende des 15. Jht. durch. Um die ungenauen Rohrkaliber auszugleichen und die wertvollen Rohre zu schonen umgab man auch die Stein- und Eisenkugeln mit einem Bleiüberzug. Neben der Vollkugel kannte man auch den Hagelschuss. Vor die verdämmte Pulverladung und die Kugel füllte man Kieselsteine oder Handrohrkugeln. Auf kurze Entfernung hatte diese Ladung eine Wirkung ähnlich einer Schrotladung. Auch gab es schon gefüllte Säckchen mit Bleischrot und -kugeln, die statt der Kugel geladen wurden, die späteren Kartätschen. Mit Pulver gefüllte  hohle Eisenkugeln, Bomben die großen, Granaten die kleinen genannt kommen erst in der 2. Hälfte des 16. Jht. auf.  

Schweizer Büchsenmeister richten und schießen. Die Höhenrichtung geschieht an den hinteren Hörnern durch einen Riegel.

     

franz.15 Jht. Neben den Geschützen sind Bögen und Armbrüste im Einsatz.

  

franz. spätes 14. Jht. Mit Legestücken wir eine Stadt belagert

        

Zeughaus von Max I. in Innsbruck um 1505 von Jörg Kölderer.

Neben dem eigentlichen Geschütz führte der Büchsenmeister und seine Knechte eine Vielzahl von Zubehör mit sich. Die Ladeschaufel diente zum Einbringen der Pulverladung und musste so dimensioniert sein dass notfalls ohne Nachwiegen eine volle Ladung hinein passte. Der Setzer war eine Stange mit einer zylindrischen Verdickung am Ende und diente zum Ansetzen der Ladung, der Verdämmung und des Geschosses. Der Wischer war mit Schafwolle umwickelt und wurde angefeuchtet. Nach einem Schuß wurde das Rohr feucht durchgezogen um noch glimmende Pulverreste zu löschen bevor die neue Ladung angesetzt wurde. Ein Feger, mit einer großen Rundbürste am Ende diente zum Reinigen des Rohres. Eine kleine Räumnadel aus weichem Metall wurde nach jedem Schuß verwendet um das Zündloch von Pulverrückständen zu reinigen. Lunten und das Pulverhorn mit dem Zündkraut sowie die Hilfsmittel zum Richten des Geschützes wie Quadranten, Aufsätze, Winkelhakenlineal sowie Kaliberstab und Kugellehren rundeten die Ausrüstung des Büchsenmeisters ab. Die Knechte führten noch allerlei Schanzwerkzeug mit um die kastenförmigen Verbauungen der Legestücke und die Schildwände zu errichten, das Geschütz nach dem Schuß wieder zu positionieren und Hebekräne um die Rohre zum Transport auf Wagen zu heben.

Neben den Kammerbüchsen beachte man den Sack links unten, bzw. das Wappen darauf.